Stellen Sie sich folgende Situation vor: ein Kunde von Ihnen, den Sie besuchen hat Ihr Firmenlogo auf seinem Arm eintätowiert. Sie wissen sofort: diesen Kunden haben Sie bis zu Ihrer Pensionierung und darüber hinaus auf sicher. Er kennt keinen besseren Anbieter für seine Bedürfnisse als Sie. Er wird den Preis zahlen ohne Diskussion – auch wenn dieser wesentlich höher ist als bei Ihren Mitbewerbern. Und das Wichtigste: er ist Wiederholungstäter (wird also wieder kommen) und wird zuschlagen: er wird weitere Dienstleistungen, weitere Beratungen, weitere Produkte bei Ihnen beziehen.
Der Kunde als Botschafter
Ihr Kunde ist ein echter Fan von Ihnen, er ist nicht zufrieden sondern begeistert und in seinem Kopf gibt es keinen einzigen anderen Anbieter in Ihrem Bereich. Die Beziehung zu Ihnen geht diesem Kunden im wahrsten Sinne des Wortes UNTER DIE HAUT. Er trägt diese Botschaft und seine Begeisterung für Sie und Ihr Unternehmen nach aussen und empfiehlt Sie auch mit Überzeugung weiter.
Paradebeispiel Harley
Unrealistisch? Keineswegs! Es gibt sie, solche Kunden. Und genauso gibt es Unternehmen, die sich solche Kunden zum Ziel gemacht haben und es verstehen, ihre Beziehung zu den Kunden tiefgehend aufzubauen und zu pflegen. Ein Beispiel dafür ist das 1903 in Milwaukee, Wisconsin gegründete Motorrad-Unternehmen HARLEY DAVIDSON. Mit dieser Marke werden Sehnsüchte und Lebensträume vieler Männer wach: oben blauer Himmel, unten Strasse, in der Mitte der Horizont. Weite, Fahrtwind, Abenteuer, Leidenschaft, “Born to be wild”. Ein Erlebnis, die Welt mit allen Sinnen zu entdecken und zu erleben.
Wer berührt, der führt
Harley Davidson ist dabei bei Weitem nicht das einzige Unternehmen, welches bei seinen Kunden Emotionen weckt: Apple, Starbucks, Tesla, Coca Cola aber auch Red Bull, Nespresso, BMW und viele, viele mehr. Was können KMUs nun von solchen Marken lernen? Es geht immer um Emotionen, welche starke Marken wecken. Dass dieses Geheimnis nicht nur den Grosskonzernen vorbehalten ist, zeigen auch zahlreiche KMUs, Familienunternehmen und Einzelpersonen, welche es zu verstehen wissen, ihre Kunden zu berühren und damit den gewünschten Erfolg erzielen. Wer berührt, der führt.
Kopf oder Bauch: Wer entscheidet?
65% der verfügbaren Gebrauchsgüter (TV, Radio, Möbel, Maschinen) werden durch die Konsumenten als gleich gut bewertet. Bei den Verbrauchsgüter (Lebens- und Genussmittel, Hygieneartikel, Waschmittel) sind es sogar 85%. Wir haben also heute den mehrfachen Wettbewerb: wichtig ist nicht nur der Wettbewerb um die Qualität, sondern auch der Wettbewerb um die Kommunikation dieser Qualität. Was nützt es also gut zu sein, wenn das niemand weiss?
Hirnforscher gehen davon aus, dass wir täglich mit bis zu 30’000 Impulsen konfrontiert werden. Innert Millisekunden entscheiden wir, ob diese Impulse jeweils interessant, relevant oder sogar überlebenswichtig sind oder nicht. Dies geschieht meist unbewusst. Bewusst werden wir mit ca. 200 Entscheidungen täglich konfrontiert. Aus gutem Grund: würden wir bei jeder Entscheidung eine Nutzwertanalyse durchführen, googeln oder unsere Freunde und Bekannte konsultieren bevor wir eine Entscheidung fällen, würden wir es kaum über den Bettrand schaffen und wären masslos überfordert. Die meiste Entscheidungs-Arbeit übernimmt unser Unterbewusstsein. Dieses entscheidet aufgrund unserer Erfahrung, Intuition und Emotion. Der Verstand schaltet sich erst nach diesem Entscheid ein und rechtfertigt diesen nach Zahlen, Daten, Fakten.
Wir stehen vor einem Regal mit 50 verschiedenen Teigwaren- oder Shampoo-Marken. Für welche entscheiden wir uns? Lesen wir die Zusammensetzung, besuchen den Herstellungs-Betrieb, sprechen mit dem Produzenten, kontrollieren die Rohstoffe und deren Verarbeitung? Oder entscheiden wir uns aufgrund der Verpackung und deren Design, aufgrund von Empfehlungen und Bekanntheit? Wir entscheiden uns aufgrund der Summe unserer bisherigen Erfahrungen, dem sogenannten Anker in unserem Hirn. Je stärker dieser Anker, desto schneller entscheiden wir. Der Verstand rechtfertigt anschliessend unsere Entscheidungen mit allen verfügbaren Zahlen, Daten und Fakten. So kann es vorkommen, dass wir uns beim Autokauf für die teurere Marke oder Ausstattung entscheiden, auch wenn die rationalen Überlegungen eigentlich deutlich dagegen sprechen. Wir rechtfertigen uns vor uns selbst und dies gelingt uns meist auch hervorragend.
Schenken Sie Emotionen
Gefühle spielen bei Entscheidungen, insbesondere bei Kaufentscheidungen die weit grössere Rolle, als bisher angenommen. Das gilt auch für unsere Kunden. Doch wie nutzen wir diese Erkenntnis für unser Geschäft? Wie setzen wir diese „Gefühls-Anker“ als Unternehmer bei unseren Kunden? Antworten darauf liefern uns erfolgreiche Unternehmen wie eingangs erwähnt. Nebst unseren Grundbedürfnissen wie Nahrung, Schlaf, Dach über dem Kopf, Fortpflanzung sind folgende Emotionen und Bedürfnisse weit verbreitet: Anerkennung, Status, Macht, Sicherheit, Kontrolle, Innere Ruhe, Freiheit, Neugier. Abenteuer. Wenn wir die Bedürfnisse und Emotionen unserer Kunden kennen, sind wir in der Lage, diese durch wirkungsvolle Kommunikation zu erfüllen. So schenken wir unseren Kunden eine Prise Sicherheit, ein Stück Freiheit, das Gefühl von Abenteuer, Zugehörigkeit oder das Wichtigste: Vertrauen. Voraussetzung dafür ist eine konsequente, orchestrierte Umsetzung der Kommunikation über alle Berührungspunkte mit dem Kunden.
Wenn Kunden zu Fans werden
Coca Cola hat gegenüber Mitbewerber Pepsi seit Jahrzehnten die Nase vorn, obschon der Pepsi-Geschmack in Blindtests von einer Mehrheit bevorzugt wird. Wie geht das? Eine starke Marke schenkt den Konsumenten Vertrauen oder eine tolle Geschichte. Ein tolles Beispiel ist die Geschichte der exklusiven Gesichtscrème “La Mer” von Estée Lauder: Nachdem Raketenphysiker Max Huber sich 1953 bei einer Explosion durch Raketentreibstoff sein Gesicht verbrannte und verätzte, entwickelte er während 12 Jahren eine hochwertige Hautcrème, die seine Narben im Gesicht beseitigen sollte. Die Crème enthält angeblich heute noch Seetang, Vitamine und Mineralien. Dazu kommen kosmische Klänge und spezielles Licht, um den Inhalten noch mehr Energie zu verleihen. Heute kostet die 350ml-Dose dieser Gesichtscrème über CHF 1’000.–. Oder wie ist es möglich, dass Konsumenten bereit sind, bei Nespresso CHF 100.– für 1kg Kaffee zu bezahlen? Unabhängig von der Branche, vom Produkt oder von der Dienstleistung: starke Marken beinhalten starke Geschichten oder starke Gefühle. Starke Gefühle führen zu Kaufentscheiden. Kunden werden jedoch erst zu richtigen Fans, wenn sie eine starke emotionale Bindung zu ihrem Bezugsobjekt (Produkt, Marke, Unternehmen) haben, sich damit identifizieren und sich dadurch in ihrem (Kauf-)Verhalten aktiv von anderen Konsumenten unterscheiden oder sogar abgrenzen. Harley Davidson ist es gelungen mit ihrem “Harley Owners Club” (kurz H.O.G.), über 300’000 Harley-Fans in 900 lokalen Organisationen zu begeistern und zu binden. Der H.O.G. ist heute der grösste unternehmenseigene Motorrad-Club weltweit. Bernhard Gneithin, der ehemalige Marketing Director der Harley Davidson GmbH, brachte die Faszination Harley Davidson auf den Punkt: „Wir verkaufen einen Lebensstil – das Motorrad gibt es gratis dazu.“
Quellen:
• Bild: https://www.flickr.com/photos/jimsk/128131281/
• Das Fan-Prinzip, Springer Gabler, 2015
• Emotion Selling, Gabler, 2010