Dieser Artikel erschien exklusiv als Gast-Kolumne im Magazin «Direct Point» 03/2020 Dezember 2020 (www.directpoint.ch), Die Schweizerische Post. Der Autor Lorenz Wenger behält sich das Recht vor, hier die ungekürzte Version zu publizieren.
Von meiner Grosstante habe ich gelernt: Schnittlauch und Petersilie vertragen sich nicht. Die beiden Kräuter gedeihen nicht sonderlich gut, wenn sie im gleichen Topf angepflanzt werden. Was hat das mit mir und meinem Unternehmen zu tun?
Durch Reibung entsteht Neues
Wir alle mögen die Gesellschaft von Gleichgesinnten. Sie schenkt uns Vertrauen und Zusammengehörigkeit, vermittelt uns ein Gefühl von Sicherheit und Akzeptanz. Es ist bequem und kurzfristig bereichernd, sich unter Gleichgesinnten mit gleichem Horizont auszutauschen: das uralte «Konzept Stammtisch». Das Resultat: Wissensstillstand und Gedankeninzucht. Wachstum ist hier kaum möglich. Kreativität, Innovation und Wachstum setzt eine Reibung von unterschiedlichen Kulturen voraus. Schnittlauch gedeiht prächtig neben Salbei, Petersilie auch neben Dill. Dass Kreativität, Innovation und Neues erst entstehen kann, wenn interdisziplinäre Teams und Denkweisen zusammentreffen, hat sich mittlerweile auch ausserhalb der Campus von HSG und EPFL herumgesprochen. Unterschiedliche Perspektiven, Reibungen und Konflikte können so in Innovationskraft gewandelt werden.
Hören Sie auch auf Ihr Bauchgefühl – mit Verstand
Neulich wurde ich eingeladen zu einem Neukundengespräch für einen geplanten Teamworkshop. 5 Minuten vor dem Ersttermin stand ich in einen Hundekot, der frisch und prominent vor dem Haupteingang meines potenziellen Kunden platziert war. Mein gedanklicher Fokus war bereits im anstehenden Gespräch und ich hatte ihn schlicht übersehen. Glücklicherweise war das taufrische Gras direkt neben der Zufahrt und ich konnte mich mit wenig Aufwand von der unangenehmen Konsistenz an meinem Schuh befreien. Für einen Sekundenbruchteil blitzte mir der Gedanke auf: was hat das mit mir zu tun, hat das etwas zu bedeuten? Das anschliessende Gespräch verlief sachlich und zielführend, jedoch emotionslos. Niemand der Beteiligten wurde enthusiastisch, der Funke ist nicht gesprungen. Offensichtlich gegenseitig nicht. Doch das war nur so ein Gefühl. In diesen Situationen sagt der Bauch: „lass es, es passt nicht“. Und der Kopf meint dazu: „Stell dich nicht so an, es geht hier schliesslich um Business und nicht um die nächste Klassenparty!“. Wochen und Stunden später – nach zahlreichen Telefonaten, E-Mails und weiteren zähen Gesprächen – wurde allen klar: es passt nicht! Aus dem gemeinsamen Workshop wurde nichts. Man hat sich einvernehmlich getrennt und schaffte dadurch Raum für neue Projekte. In diesen Situationen fragt sich der Bauch: „Warum hörte niemand auf mich?“. Der Kopf setzte sich durch.
Was lernen wir aus dem Kräutergarten?
Es gibt Kunden, Klienten, Lieferanten und Partner, die passen einfach nicht zu mir und umgekehrt. Ebenso gibt es Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Chefs und Mitarbeitende, Projektteams und Involvierte, die nicht zusammenpassen, um gemeinsam zu wachsen oder Neues entstehen zu lassen. Das hat weder mit schlechten Absichten noch mit fehlendem Enthusiasmus zu tun. Und auch nicht mit metaphorischem Hundekot. Der Schnittlauch macht sich vermutlich keine Gedanken zu seinem Topf-Nachbarn. Er gedeiht einfach nicht neben Petersilie und umgekehrt. Basta. Es wird kaum jemals «Schnittersilie» entstehen können. Hören Sie mehr auf Ihr Bauchgefühl, ob es passt oder nicht. Achten Sie in Zukunft darauf, ob Ihr Gegenüber Schnittlauch oder Petersilie braucht. Haben Sie Mut, loszulassen. Nur wer loslässt, hat die Hände frei für Neues. Verlassen Sie sich auf Ihre Intuition.
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