Von Veröffentlicht am: 13. März 2018Kategorien: BlogSchlagwörter: , , , ,

Wie wir die richtigen Fragen stellen. Und warum wir oft auf Fragen antworten, die uns gar nicht gestellt worden sind.

«Ich weiß nicht was ich gesagt habe, bevor ich die Antwort meines Gegenübers gehört habe.»
Paul Watzlawick

Von Lorenz Wenger

Ein ganz normaler Freitagnachmittag, ich frage die Teilnehmenden in meinem Seminar, ob es Sportschützen unter ihnen gibt. Verdutzt schauen mich 12 Augenpaare an. Für einige Sekunden dominiert Stille im gut geheizten Raum. Tatsächlich erhebt sich eine Hand nach oben und ein Teilnehmer mittleren Alters bekennt sich schüchtern als Vereinsschütze. Ich frage ihn, wie lange er seiner Passion nachkommen würde, wenn ihm ab morgen weder Zielscheibe noch Trefferanzeige zur Verfügung stünden. Wenn er also ab sofort keine Resultate mehr einsehen dürfte. Seine Reaktion: Achselzucken, Schmunzeln, Augen nach oben. „Keine zwei Stunden“, meint er. Sein Hobby würde jegliche Bedeutung für ihn verlieren.

Ohne Feedback keine Kommunikation

Die Zielscheibe ist eine Metapher für Feedback: Ob Sportschütze oder nicht – wir brauchen Feedback. Wir sehnen uns danach. Feedback ist die minimale Anforderung für Anerkennung und Respekt. Ohne Feedback könnten wir längerfristig kaum überleben. Wir würden sozial verkümmern. Die viel zu früh verstorbene Trainerin Vera F. Birkenbihl meinte dazu: „Alles war wir sagen oder tun, tun wir letztlich, um das eigene Selbstwertgefühl zu erhalten, zu verteidigen oder zu verbessern. Denn: nur mit Hilfe von positivem Feedback können auch wir uns positiv sehen. Unsere Mitmenschen stellen einen Spiegel dar und diese Funktion wird nur durch die Kommunikation möglich.“

In jedem Kommunikations-Seminar hört man etwas von Sender, Empfänger, Nachricht und Übertragungskanal und man lernt, zwischen einer Sachebene und einer Beziehungsebene zu unterscheiden. Beim bekannten „Vier-Ohren-Modell“ nach Schulz von Thun sind es sogar vier Ebenen auf jeder Seite: der des Senders und der des Empfängers. Beide Seiten tragen also gleichermaßen Verantwortung für eine gelungene Kommunikation. Soweit die Theorie. Und wie schaut das nun in der Praxis aus?

Ein Beispiel aus der Praxis

Ich frage den eintretenden Klienten, ob er einen Kaffee trinken mag. Darauf meint er, dass er heute bereits drei Kaffees hatte, dann im Stau stand und daher etwas verspätet sei, was ihm leid tue, und dass er sich vorgenommen habe sowieso weniger Kaffee zu trinken. Es geht also plötzlich nicht mehr darum, ob er mit mir einen Kaffee trinkt und ich nun einen für mich alleine oder einen zusätzlichen für ihn mache.

Er schildert mir also seine aktuelle Situation und offenbart sich dabei als so gestresst, dass er meine banale Kaffee-Frage überhört. Und ich sage nun mit ruhiger Stimme, wie froh ich bin, dass er nun gesund und sicher angekommen sei und er sich nun endlich Zeit nehmen dürfe, worauf er sichtlich beruhigt. Sich endlich Zeit nehmen dürfen: offensichtlich tut es ihm gut, dass jemand sein Bedürfnis in diesem Moment erkennen und auf seinen emotionalen Zustand eingehen kann. Er fühlt sich verstanden und respektiert – die Basis für den Rapport und eine vertrauensvolle Kommunikation ist gelegt. Im Alltag gelingt uns dies nicht immer. Oft antworten wir wie mein gestresster Kunde voreilig, wir rechtfertigen uns, entschuldigen uns oder gehen auf Fragen ein, die gar niemand gestellt hat.

Werden wir beispielsweise von einem neuen Kunden gefragt, ob wir kompetent genug seien, reagieren wir oft mit einer Bestätigung: „Natürlich. Darauf können Sie sich verlassen.“ Oder mit einer Rechtfertigung: „Selbstverständlich lieber Kunde. Ich habe über zehn Jahre Erfahrung mit solchen Projekten in ihrer Branche. Schon während meiner Ausbildung…“. Insgeheim fühlen wir uns vielleicht persönlich angegriffen und wir fragen uns, warum der Kunde uns diese Arbeit nicht zutraut.

Klärung durch Fragen

Doch ist es tatsächlich Misstrauen unseres Gegenübers? Könnte es nicht einen ganz anderen Grund für diese Kompetenz-Frage geben? Hier entscheidet es sich, ob wir einen emotionalen Zugang zu unserem Gegenüber finden. Wenn ich also eine vermeintlich kritische Frage, einen Angriff oder eine Kritik zu hören glaube, frage ich nach, bis ich verstehe, aus welchem emotionalem Zustand heraus der Andere diese Frage gestellt hat.

Vielleicht fehlt ihm die Sicherheit, damit er sich für mein Angebot entscheiden kann. Ich könnte also nachfragen: „Kompetent? Was erwarten Sie von meiner Kompetenz?“, oder: „Was ist ihnen besonders wichtig, wenn Sie von Kompetenz sprechen?“, „Was meinen Sie genau?“, „Das heisst…?“, „Damit meinen Sie…?“. Dadurch signalisiere ich mein Interesse ihm gegenüber und lade ihn zugleich ein, mehr über seine Gedanken, seine Bilder im Kopf, seine Emotionen, Motive und Bedürfnisse zu berichten. Und das wirkt kompetent.

Worte wecken Assoziationen, lösen Bilder und Gefühle in uns aus. Und von welchen Bildern gehen wir nun aus? Unseren eigenen? Oder versuchen wir tatsächlich den Andern zu verstehen und in seine Gedankenwelt einzutauchen? Welche Bilder, Gedanken, Gefühle und Assoziationen bestimmen die Kommunikation unseres Gegenübers? Solange wir die Antworten auf diese Fragen nicht wissen, gibt es nur ein Mittel, um dies herauszufinden: Fragen!

Wir haben es in der Hand, etwas über die ureigensten Motive, Bedürfnisse, Beweggründe zu erfahren, die unser Gegenüber zu einer bestimmten Aussage veranlassen. Und damit unsere eigenen Bilder im Kopf einmal beiseite zu schieben. Tun wir das nicht, werden wir nie erfahren, warum sich unser Gesprächspartner so oder so geäußert hat. Fragen zu stellen und auch nachzufragen heißt, dass ich mich für meinen Gesprächspartner interessiere, dass ich ihn respektiere, dass ich wissen will, was ihn bewegt.

Die Einwort-Technik

Wer (noch) nicht über ein großes Repertoire an Fragetechniken verfügt oder der Überzeugung ist, dass Fragen aufgesetzt und unnatürlich wirken, kann ab sofort die einfache Einwort-Technik anwenden, welche ich seit Jahren in meinen Trainings vermittle. Ich wiederhole den Satz meines Gesprächspartners oder die wichtigsten Schlüsselworte aus diesem gehörten Satz und formuliere diese als Frage. Eine banale Technik, die zuverlässig funktioniert, wenn ich sie dosiert einsetze. Sie zielt direkt auf die Motive unseres Gegenübers. Er oder sie fühlt sich dadurch ernst genommen, respektiert und wird in der Folge gerne mehr über sich offenbaren.

Als Beispiel ein Dialog, welcher sich bei einem Kunden aus der Gesundheitsbranche tatsächlich so zugetragen hat:

A: Ihre Leistungsabrechnung ist das reinste Chaos!

B: Chaos? (à Einwort-Technik zur Klärung)

A: Allerdings! Zudem ist sie nicht komplett!

B: Nicht komplett? (à Einwort-Technik zur Klärung)

A: Es fehlt zum Beispiel die Abrechnung meines Arztes vom…

B: Das ist richtig. Ich kann Ihnen gerne erklären warum das so ist, wenn Sie möchten. (Einverständnis abholen für Erklärung statt sofortige Rechtfertigung)

A: Ja, bitte.

B: Wir berücksichtigen vorerst… darum kann es sein, dass der Eindruck entsteht, dass… Darum haben wir… (Argumentation). Habe ich Ihnen damit helfen können? (Bestätigung abholen)

A: Ach so. Ich verstehe. Jetzt weiss ich warum. Danke.

B: Kann ich sonst noch etwas für Sie tun (Zusätzliche Hilfe anbieten)

A: Nein, soweit ist mir alles klar. Besten Dank.

Fragen klären, helfen und öffnen uns also die Türen zur Gedankenwelt unserer Gesprächspartner. Nur weil wir denken, dass etwas klar ist, muss es also noch lange nicht klar sein. Zu schnell antworten wir nicht auf das, was jemand gesagt hat, sondern auf das, was wir glauben gehört zu haben.

Denken Sie also bei Ihrer nächsten Begegnung auch an die Gedankenwelt Ihres Gegenübers, legen Sie Ihre eigenen beiseite und sie werden plötzlich neue und andere Fragen stellen, die es Ihnen ermöglichen, mehr über die Bilder und Emotionen Ihres Gegenübers zu erfahren. Dazu wünsche ich Ihnen viel Spass, Mut und Neugier.


Lorenz Wenger, Kommunikationstrainer, Mutmacher und Emotions-Coach, Partner und Gründer von www.swissmentalists.ch.

Literatur:
Vera F. Birkenbihl (1986): Kommunikations-Training. mvg Verlag

 

Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift «PRAXIS KOMMUNIKATION», Ausgabe 01/2018 (www.pkmagazin.de)
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