Von Veröffentlicht am: 29. Oktober 2021Kategorien: BlogSchlagwörter: , , , , ,

Dieser Artikel erschien im Magazin «Schulpraxis» 02/2021 vom Berufsverband Bildung Bern.
Den Original-Artikel finden Sie hier.

Wie geht Mut?

Wer sich selbst als mutig bezeichnet, gilt schnell als überheblich und arrogant. Gemäss Mut-Studie Schweiz, die 2018 publiziert wurde, bewerten es drei Viertel der Befragten als positiv, von anderen als mutig bezeichnet zu werden. 75 Prozent wünschen sich mehr Mut. Doch wie geht Mut?

Im populären Sprachgebrauch wird Mut oft als das Gegenstück von Angst deklariert. Ein Mythos! Das Gegenteil ist der Fall: Um Mut überhaupt entstehen zu lassen, braucht es die Angst. Angst ist – evolutionsbedingt – einer unserer grössten inneren Antreiber und nicht per se als schlecht zu bewerten. Die Angst beschützt uns auch vor unüberlegten – übermütigen – Handlungen, die ungesund oder sogar lebensgefährlich sind. Ob wir vom EinmeterSprungbrett oder von der 30-Meter-Klippe springen, ob wir unseren vermeintlich sicheren Job aufgeben und den Schritt in die Selbständigkeit wagen oder nicht, entscheidet nicht zuletzt der Faktor Angst. Kurz: Ohne Angstkein Mut! Wenn wir keine Angst, keine Unsicherheit, keine Zweifel bei einem bestimmten Vorhaben spüren, dann tun wir es einfach, und es braucht dazu nicht viel Mut. Sobald wir jedoch eine für uns unangenehme Situation bewusst überwinden, brauchen wir Mut. Ein Beispiel: Wer unter Flugangst, einer der weit verbreitetsten Ängste, leidet, braucht Mut, in ein Flugzeug zu steigen. Wer Flugangst nicht kennt, braucht keinen Mut für Flugreisen. Genauso individuell wie Ängste sind, ist auch Mut. Er hängt mit der persönlichen Bewertung der jeweiligen Situation oder Tätigkeit zusammen. Ungute Gefühle können in unserem Alltag immer wieder entstehen. Meist kompensieren wir sie, gehen ihnen aus dem Weg (bewusst oder unbewusst) oder verdrängen sie. Sich bewusst den ureigenen Ängsten zu stellen, sich verletzlich zu zeigen und trotzdem an seinen Vorhaben festzuhalten, ist der erste grosse Schritt hin zu Mut.

Überwindung mit Beherztheit

Mut entsteht primär aus intrinsischen Motiven. Wenn uns etwas wichtig genug ist, es uns «am Herzen liegt», dann überwinden wir auch unerwünschte Hindernisse, Zweifel, Unsicherheiten und Ängste ganz bewusst. Mut bedeutet also, es trotzdem zu tun und sich bewusst den Unsicherheiten und Ängsten zu stellen. Mut macht aus unseren Werten und unseren Idealen erlebbare Wirklichkeit.

Innerer Kompass

Wir alle streben nach unserem persönlichen Nutzen. Glaubt man der aktuellen Hirnforschung, entscheiden wir uns täglich rund 20000-mal, grösstenteils aufgrund unbewusster Programme wie Routine, Erfahrung, Intuition und sozialer Strategien: Wähle, was du kennst, vermeide Konflikte, folge dem Rat anderer, entscheide dich für das, was dir den grössten Nutzen bringt. In einer Zeit des permanenten Wandels und der Informationsüberflutung, scheint es immer schwieriger, auf unsere innere Stimme zu hören und unserem inneren Kompass zu folgen. Nur wenn wir verstehen, was uns mit Sinn erfüllt und glücklich macht, können wir unsere Entscheidungen, unsere Gewohnheiten, unser Verhalten und unsere Kommunikation danach ausrichten. In meiner Arbeit mit unterschiedlichen Menschen über die letzten 20 Jahre (unter Wasser als Tauchlehrer und über Wasser als Kommunikationsexperte und Mut-Coach) konnte ich feststellen: Wir Menschen streben im Grunde genommen alle nach den gleichen Zielen, jedoch individuell stark unterschiedlich priorisiert.

Dellen in Ihrer Komfortzone

Um mutig neue Wege zu gehen und den Mutmuskel täglich zu trainieren, ist es nicht nötig, permanent die Komfortzone zu verlassen. Vielmehr geht es darum, sich den ureigenen Ängsten immer wieder bewusst zu stellen und dadurch die Komfortzone kontinuierlich zu stretchen, Dellen reinzuhauen und dadurch stetig zu vergrössern. Dazu lassen sich Übungen in unserem Alltag einbauen: Sprechen Sie wildfremde Menschen an, machen Sie täglich jemandem ein Kompliment, duschen Sie täglich kalt oder stehen Sie für sich selbst ein und sprechen Sie endlich den latenten Konflikt mit dem Arbeitskollegen an. Tun Sie einfach etwas, das Sie aus der Reserve lockt, oder etwas, das Sie zuvor noch nie getan haben. Dies aber bewusst und konsequent. Sie werden dadurch Ihren Mutmuskel trainieren und es wird Ihnen immer einfacher fallen, unbequeme Dinge zu tun.

Mut, sich ohne Lack zu zeigen

Wir alle streben nach Respekt und Anerkennung, während wir Ablehnung und Misserfolge vermeiden. Mit der zunehmenden Digitalisierung, dem unüberhörbaren Lärm und der permanenten Ablenkung, insbesondere durch soziale Medien, sind wir konstant irgendwelchen Vergleichen ausgesetzt. Der Selbstdarstellungs- und Selbstoptimierungswahn hat gerade erst begonnen. Der Clou daran: Unser Gehirn kann nicht anders, als Bilder und Geschichten zu vervollständigen, Referenzwerte abzugleichen und dabei unser Selbst in einen Kontext zu stellen. Wir vergleichen uns gerne mit unserem Umfeld und vergleichen unser eigenes Leben mit den vielen perfekt aussehenden «Digital Selfs» und ihren aufgemotzten Bildern. Das Perfide daran ist, dass genau das unglücklich macht, wie zahlreiche Studien belegen. Wie sieht das «Real Self» unter dem Lack aus? Wer sich auch mal verletzlich und unperfekt zeigt, berührt andere Menschen und schafft dadurch Vertrauen. Wir alle haben unsere verletzlichen, ängstlichen und zweifelnden Stellen. Unperfekt ist das neue Perfekt! Haben Sie den Mut, sich verletzlich, ängstlich, hadernd oder auch mal scheiternd zu zeigen. Nicht als Opfer, sondern als lernende und wachsende Person. Denn wer aufgehört hat, SchülerIn zu sein, hat schon längst aufgegeben, MeisterIn zu werden. Mutig sind nicht nur die anderen. Sobald wir unseren inneren Schweinehund mit all seinen Ängsten und Zweifeln anerkennen und Strategien entwickeln, wie wir ihn an die Leine nehmen, finden wir unser ganz persönliches Mut-Momentum. Dazu braucht es den ersten grossen Schritt durch die Angst hindurch.

Lorenz Wenger

 

Lorenz Wenger ist Vortragsredner, Business-Trainer, Mut-Coach und Autor. Er begleitet Menschen und Organisationen in Veränderungs- und Kommunikationsthemen und coacht UnternehmerrInnen, Fach- und Führungskräfte auf ihrem Weg zu mutvollen Entscheidungen. Sein neues Buch «Mehr Mut, Mensch!» erschien im September 2021 im Verlag Wiley. www.lorenzwenger.ch/mehrmutmensch-dasbuch

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